Es gab es auf Facebook vereinzelt irritierte Rückmeldungen zum Begriff „Biker“ im letzten Beitrag. Der Versuch einer Klärung.
Wir haben in Deutschland, wie bereits erwähnt, die lustige Neigung, Scheinanglizismen zu erfinden. Die mir meistens gut gefallen. „Rocker“ zählt dazu.
Der Begriff meint, was im US-amerikanisch geprägten Sprachraum meist als „Biker“ bezeichnet wird – also Angehörige von „Outlaw Motorgangs“. Von kriminellen Motorradgruppen würde man im Deutschen dann sprechen oder schreiben.
Biker
Das Wort „Biker“ und das damit verknüpfte Selbstverständnis ist auch eng verbunden mit den Geschehnissen im US-amerikanischen Hollister im Juli 1947. Das Bild des asozialen Motorradfahrers entsteht. Es wächst im Wechselspiel öffentlicher, medialer Aufmerksamkeit und schleift sich erst heute endgültig ab.
Die Idee des „One-Percenter“, die sich als 1%-Zeichen bis heute auf Kutten wiederfindet, ist die Reaktion auf eine damals etwas hysterisch reagierende Öffentlichkeit. Irgendwann spaltet sich die US-Motorradgemeinde dann auf in harmlose „Motorcyclists“ oder „Rider“ und die weniger harmlosen „Biker“. Letztere finden eine Anlaufstelle in Gründungen von bis heute häufig berüchtigten Motorradclubs wie Hells Angels und Co.
Ton-Up!
Kommen wir zu den Rockern. Der Begriff stammt nicht aus den USA. Die Vorlage liefert vielmehr eine britische Jugendbewegung aus den 50ern, die „Ton-Up Boys“.
„Ton up“ ist englischer Slang und bezeichnet 100 Punkte bei einem Derby. Oder eben 100 Meilen pro Stunde. „Ton-Up Boys“ waren also schneller als 160 km/h – beziehungsweise versuchten es zu sein. Eine Geschwindigkeit, die auf einer in den 50ern oder später gebauten und modifizierten BSA, Norton oder Triumph ein Abenteuer besonderer Art sein dürfte.
Man traf sich in Lederjacken des britischen Militärs bei der nächstgelegenen Frittenbude, euphemistisch Café genannt, und trat zu Rennen an. Die Geburtsstunde der legendären Café Racer.
Rockers
Warum aber die Frittenbuden? Da sie, bestückt mit Juke-Boxen, seinerzeit zu den wenigen Orte in Großbritannien zählten, an denen Rockmusik zu hören war. Eine weitere Vorliebe der „Ton-Up Boys“, die deshalb schließlich auch „Rockers“ genannt wurden.
Schlagzeilen machten sie im Zuge zahlreicher Unfälle und schließlich auch handfester Auseinandersetzungen mit einer anderen subkulturellen Jugendgruppe, den Rollerfahrenden „Mods“. Die kriminelle und vor allem organisierte Energie der US-amerikanischen „Biker“ brachten sie allerdings nicht auf.
Weshalb sich das Wort „Rocker“ in Deutschland durchgesetzt hat, liegt vermutlich im zunächst stärkeren Einfluss der englischen Subkultur begründet. Es beginnt in den 1960er Jahren, als die ersten Motorradclubs auch hierzulande gegründet wurden.
Sex, Drugs, Rock’n’Roll und eben auch Motorräder als Zeichen der Abgrenzung, der anarchisch geprägten Freiheitsliebe und dem Drang, gegen soziale Eingrenzungen zu rebellieren. Organisierte Kriminalität kam erst später dazu und vereinnahmt(e) die deutsche Rockerszene zusehends.
Bzgl. Scheinanglizismen: Ich möchte auch gerne mal erleben wenn der Deutsche Touri im englischsprachigen Ausland verkündet mit seinem eigenen Bodybag zum Public Viewing gegangen zu sein.
Entsetzte Gesichter sind ihm garantiert… 😀
Der zahme Vogel singt von Freiheit – der wilde Vogel fliegt! In diesem Sinne ein nicht ganz uneigennütziger Apell an die „Sugarhill-Biker“ mit ausgeprägter Definitionshoheit oder mit Klärungsbedarf, sitzt ihr ruhig lange vor euren Rechnern, dann bleiben sie Straßen wenigstens schön frei. 😀
Danke für diesen Klärungsversuch, von den britischen „Ton-Up Boys“ hatte ich nämlich bisher noch nie etwas gehört oder gelesen.