Richtig packen

Reise leicht.“ Diese Glückskeksweisheit klingt gut. Ich selbst halte mich nicht daran und reise schwer.

Jedenfalls dann, wenn es um unsere alljährliche Grand Tour geht, auf der wir meist vier Wochen mit Zelt unterwegs sind. Philosophische und profane Komfortfragen prallen in der Vorbereitungsphase aufeinander. Sich mit wenig Gepäck bescheiden zu können, deutet ja an, man wisse, worauf es wirklich ankommt. Eine Konzentration auf das Essentielle.

Wer dagegen seinen halben Hausstand mit sich schleppt, erweckt den Eindruck, sich nicht aus der Bequemlichkeit des Alltags lösen zu können. Jemand also, der nicht zu reisen versteht.

Am Anfang ein Haufen

Die unvereinbaren Positionen werden bei uns auf dem Boden ausgefochten. Hier wird zunächst einmal alles zusammengetragen, was uns so einfällt. Oder auch zufällig in die Hände gerät. Von wirklich sinnvollen Dingen (Wäscheklammern, Seil, Mülltüten) bis hin zu Sachen, die einen unwiderstehlichen Reiz ausüben (Schachspiel, solarbetriebene Powerbank, Fernglas usw.).

Den Anfang macht in der Regel der Werkzeugimprovisationskram. Dessen Berechtigung erscheint unstrittig und bildet damit so etwas wie einen Ruhepol in der folgenden, mehrere Tage dauernden Packschlacht. Dann sind Zelt, Schlafsack usw. an der Reihe. Hier beginnt ein Disput, der ein mittlerweile traditionelles Muster trägt.

Komfort vs. Gewicht

Ich plädiere für Isomatten und das kleine Sturmzelt. Meine Frau für die riesige Luftmatratze, die mit einer elektrischen Pumpe in Form gebracht wird und die gerade mal so in das für Motorradfahrer angefertigte Spezialzelt passt. Klimakarten geben dann immer den entscheidenden Ausschlag und wir können zum nächsten Streitpunkt übergehen: Küche.

Das Vollprogramm mit Bestecksatz, Töpfen, Pfanne, faltbarem Wasserkanister, Luxuskaffeebechern etc.? Oder doch nur Hobo-Ofen, Becher, ein Topf und Kaffee? Die angeregte Diskussion begraben wir meist mit Fakten zu Besiedlungsdichte und Durchschnittspreisen für lokale Lebensmittel.

Ein ebenfalls nicht unstrittiger Punkt ist Kleidung. Wir unterscheiden unsere Ziele in zwei Grobkategorien: entweder Pampa. Oder Gegenden mit Infrastruktur und vorzüglicher Küche, die uns geradezu auf kulinarische Streifzüge zwingen. Außerdem ist nicht in jedem Land die Motorradkombi salonfähig.

30%

So geht es weiter, bis ein respektabler Haufen an Zeug zusammengekommen ist. Erst dann wird es interessant. Katharsis. Ab jetzt steht alles unter dem Generalverdacht, vollkommen unnützer Zivilisationsballast zu sein. Auf mindestens 50% trifft das auch zu.

Die letzten paar Tage steht das Gepäck unangetastet herum. Zumindest scheinbar. Denn die ein oder andere Sache wird doch noch heimlich hinzugequetscht. Die Kunst besteht darin, sie unterwegs im richtigen Moment wieder hervorzufischen.

Bewährt haben sich folgende Varianten: entweder mit triumphalem Strahlen („Siehst Du! Ich wusste, dass wir es brauchen werden.“) Oder aber mit großem Erstaunen („Ach, na sieh an. Das haben wir also doch dabei!“). Beides wird in diesem Jahr für mich nicht leicht umzusetzen sein. Denn ganz oben auf meiner geheimen Packliste steht: eine Ukulele.

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15 Comments

    1. Ja! Theoretisch könnte man das Ganze sicherlich durchrationalisieren und mit verschiedenen Packlisten weitaus ökonomischer gestalten. Aber dann würde ich etwas vermissen. 😀

  1. Habe mich beim Lesen sehr amüsiert! 🙂

    Ich habe den Kampf tatsächlich nur ein mal ausgefochten. Daraus ist dann eine Packliste entstanden, die jedes Mal wiederverwertet wird und von der nach und nach Dinge gestrichen werden, die nicht gebraucht wurden. Aber gut, ich muss mich auch mit niemandem abstimmen, ich fahre nur allein.

    1. Das ist auf jeden Fall die kluge Variante. Der Vorteil zu zweit: auch wenn mir dieses Luftmatratzengebläse so gar nicht in mein Abenteuerbild passen will, sind unsere Nächte immer sehr komfortabel. Ich kann also weiterhin so tun, als würde ich alleine auf bloßem Boden pennen und nur meiner verweichlichten Frau zuliebe dieses Sakrileg begehen. Deshalb bin ich sehr froh, dass sie mitkommt. 😄

    1. Katzenmusik! Mehr kann ich noch nicht. Hilft allen anderen aber dabei, die Abstandsregeln einzuhalten. 😜
      Einen Kasten habe ich blöderweise nicht. Der Plan ist, sie im regendichten Mantel an der Seite zu verzurren.

  2. Herrlich anschaulich geschrieben, lieber Gipsy Chimp! Ja, die Packerei will durchdacht sein. Bei uns hat jeder sein Aufgabenfeld. Und Gott sei Dank gibt es ja sehr leichte, aber doch wärmende Kleidung. Es soll Leute geben, die vacumieren Kleidung. 🤔 Besonders schön ist aber bei der Packerei das Kribbeln im Bauch namens Vorfreude! 😄

  3. Herrlich, dein Humor! Danke für diesen schönen Artikel, zudem ich auch meinen Senf dazugeben möchte:
    Als zusammengeschweißtes Ehepaar jenseits der Silberhochzeit, haben wir natürlich schon lange unsere Routine beim Packen, standen deswegen aber auch schon so manches mal kurz vor der Scheidung!
    Da wir nicht zelten, ist unser Equipment dementsprechend überschaubar und unser Platz auf 2 Motorrädern immens! Da bleibt auch schon mal der ein oder andere Koffer leer. Zudem haben wir fest gestellt, dass man für eine Woche fast genauso viel (oder wenig) braucht wie für 8 Wochen.
    Was sich für uns aber total bewährt hat, ist unsere (zugegebenermaßen etwas überdemensionierte) Kühlbox, für die mein Mann eigens einen extra Stromanschluss eingebaut und für Schietwetter ein Regenhäubchen gebastelt hat. Diese kann man bei Pausen sogar auch als Tisch umfunktionieren. Der pure Luxus ist dann unser gekühltes Dosenfeierabendbier!
    Auch unsere, für wenige Euro erstandene Campingstühlchen, die schon über 20000 km mit uns gereist sind, haben sich total bewährt. Sie halten immernoch und hoffentlich auch die nächste Reise!
    Deine Ukulele toppt natürlich alles! Die wirst du wohl schlecht verheimlichen können und es erfordert sicher etwas Überzeugungsarbeit, Diskussinonsbereitschaft und Fingerspitzengefühl! Du kriegst das aber sicher hin, das weiß ich, ich bin auch eine Frau 😉
    Und wie Ulla vor mir schon sagte, ist die Vorfreude eine der schönsten Freuden!
    Wo soll es denn dieses Jahr hin gehen? Das mit dem Reisen ist ja alles nicht so einfach! Wir wollen Ende Juli los und planen ständig hin und her…

    1. Die 1 = 8 Wochenregel haben wir auch kürzlich festgestellt. Macht wirklich keinen Unterschied. Aber der Kühlschrank ist grandioser Luxus! Kaltes Bier nach einer langen Tour ist einfach fein. In diesem Jahr werden wir bei lauwarmem Lettøl bleiben – es geht nach Norwegen in den Norden. Wir möchten Wale sehen.

  4. Eigentlich ist die Argumentation für eine Ukulele nicht schwer, denn sie kann als akustische Variante des Schweizermessers gelten: je nach eigenem Talent kann man damit ungeliebte ZaunGäste abschrecken oder sympathische Menschen kulturell verwöhnen. Ersteres ist gerade in Corona Zeiten ein unschätzbarer Vorteil. Sie ist das ultimative Mittel gegen Langeweile an einem Regentag und zeigt allen: hier ist jemand mit kulturellen und musischen Background unterwegs! Auch lässt sie sich zur Bekämpfung von ReiseDepressionen einsetzen (vorher üben!).

    Man könnte jetzt argumentieren, dass all das auch mit einer sehr viel kleineren Mundharmonika geht. Diese lässt sich aber nicht zum provisorischen Schienen eines gebrochenen Beines einsetzen. Und auch bei einem gerissenen Kupplungszug ist man mit den Saiten der Ukulele Im Notfall besser gerüstet.

    Es muss also gar nicht diskutiert werden. Die Ukulele ist genauso essenziell für Reisende wie das Handtuch.für Ford Prefect. 42.

    1. 😂
      Genau! Eigentlich sollte jeder eine Ukulele besitzen. Wenn es dann vorbei sein wird mit Corona und das Talent nicht ausreicht, bleibt noch immer ein schönes, warmes und dann leises Lagerfeuer.

  5. Sehr schön anschaulich 😂 leider hat es meine Ukulele noch nicht ins Gepäck geschafft… ist aber unter den beschriebenen Kriterien durchaus eine Überlegung wert mal ein Kleid daheim zu lassen 😆
    Bei uns kämpft jeder seinen eigenen Packkampf. Es befeuert das Reisefieber enorm!
    Aber egal wie wenig ich mitnehme, es ist immer etwas dabei das nicht gebraucht wird. Aber ich packe sehr unterschiedlich. Drei Wochen Schottland oder Marokko: Liste schreiben, Häufchen stapeln und Ausschlusskriterium… das was übrig blieb war am Ende genau richtig und tatsächlich nicht zu viel. In Schottland hat das Campingzeug Platz gebraucht. Mehr als meine zwei Köfferchen und das Häschteckchen möchte ich aber auch nicht rumschleppen. Insgesamt 56 Liter, Platz für Vesper und Wasserflaschen muss auch sein. Jetzt „Ins Blaue“ und hauptsächlich durch Deutschland: ohne Plan, großer Stapel Lieblingskleider und alles was nicht reinpasst bleibt daheim. 😅 Der Mann hat zwar doppelt soviel Platz in seiner zweiraumadventurealulösung aber weigert sich strikt mir mehr Raum in seinem Leben zu geben 🤣

    1. „Zweiraumadventurealulösung“ – sag das drei mal schnell hintereinander. 😀 Zum Lieblingswort der Woche gekürt.

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