Bei unmenschlichen Temperaturen fahren wir kontinuierlich geradeaus. Erst durch ein Maisfeld. Dann durch ein Sonnenblumenfeld. Hunderte von Kilometern.
Bereits bei der Streckenplanung haben wir geahnt, dass es auf eine für Motorradfahrer wohl langweilige Transferstrecke hinausläuft. Was sich bestätigt.
Deshalb lassen wir es uns nicht nehmen und holpern zwischendurch über Nebenstrecken. Und die sind, nicht viel kurviger, erstaunlich schlecht. Oft schlechter als in Rumänien oder Bulgarien. Aber dafür bieten sie Einblicke. Die ländlichen Striche Ungarns sind teilweise bitterarm. Das wird sofort deutlich.
Németország
Immer wieder halbverfallene, dennoch bewohnte Häuschen. Junge Menschen sind selten zu sehen. Stattdessen ältere, abgearbeitete Männer vor den obligatorischen Dorflädchen, die bei Bier und Schnaps zusammensitzen.
Wir sorgen für offenbar angeregte Diskussionen über Deutschland. Németország. Eines der wenigen Worte, das ich auf Ungarisch heraushören kann. Wir benutzen Zeichensprache. An den Grenzen des Verständnisses angelangt, verteile ich Zigaretten. Pausenfreunde.
Nebenan der Dorfbrunnen, hier noch in Funktion und Gebrauch. Ab und zu Häuser im Jugendstil. Zeugen hochherrschaftlicher, jedoch längst vergangener Tage. Pferdewagen kreuzen unseren Weg.
Wir holpern sprichwörtlich über die aufgerissenen, zerstoßenen Straßen.
Es ist zu heiß und zu ermüdend. Also geht es zurück zur Bundesstraße, an denen riesige Melonen verkauft werden. Jeder von uns bekommt eine Hälfte und wir löffeln sie sofort am Straßenrand aus.
Tyrannen der Straße
Ein alter Mann am Krückstock steht nicht weit von uns entfernt. Er will auf die andere Seite. Schon altersschwach zitternd wartet er auf eine Lücke im dröhnenden Verkehr. Es gibt aber keine. Über die Straße donnern schwere Lastwagen, die mit zornigem Hupen ihren Weg verteidigen. Der Greis gibt auf, trottet davon.
Als Motorradfahrer begegnet man uns hingegen zuvorkommend. Alles, was zwei Räder und einen Motor hat, grüßt uns. Selbst LKW-Fahrer. Teils mit Euphorie. Man lässt uns vor, winkt zu, reckt den Daumen, strahlt über das ganze Gesicht. Das ist schön. Aber der alte Mann geht mir nicht mehr aus dem Kopf.
Ach Ungarn
Welch Kontrast bilden dagegen die Städte! Aufpoliert, mit den üblichen Konsummeilen unterscheiden sie sich kaum von anderen europäischen Metropolen. Architektonisch gäbe es einiges zu entdecken. Aber danach steht uns jetzt nicht der Sinn. Deshalb hält es uns nirgendwo sehr lange und endlich erreichen wir die Grenze.
Verschlafene Polizisten blinzeln uns in der Mittagssonne zu. Hinter uns liegt das ungarische Flachland, vor uns hebt sich die Landschaft.
Ach Ungarn! Ich kann dir einfach nicht gerecht werden. Denn ein Motorrad ist einfach das falsche Gefährt für dich. Wir werden also später einmal wiederkommen müssen. Öffentliche Verkehrsmittel sind dann die richtige Wahl.