Kleine Glücksmomente: im (marokkanischen) Sand

Zwei Dinge haben uns mal nach Marokko getrieben. Winterblues. Und Spielen in der Sandkiste. Was aber nicht auf Anhieb klappte.

Ich bin bekennender Autodidakt. Da kann ich anscheinend nicht aus meiner Haut. Beispielsweise beim Surfen. Die Idee: Kann nicht so schwer sein. Die Praxis: In den ersten Wochen habe ich literweise Nord- und Ostseewasser geschluckt.

Bis mir dann ein mitleidiger Zeitgenosse in anthroposophischer Stimmung Wasserstart und Halse näherbrachte. Meine Ungeduld ist verantwortlich.

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Diese Ungeduld, sich bei spaßverheißenden Freizeitdingen nicht lange mit Einweisungen, Ratschlägen und Theorie auseinandersetzen, sondern loslegen zu wollen. Jetzt! Sofort! Hier!

Alles Andere bedeutet nur einen unnötigen Umweg zu echter Könnerschaft. Die Rechnung geht natürlich so gut wie nie auf. So auch in Marokko, wo wir vor einiger Zeit unterwegs waren.

Zwei Dinge hatten uns dorthin getrieben. Winterblues und Sand. Da wenig Zeit zur Verfügung stand, flogen wir. Vor Ort brauchte es also Mietmotorräder. Wir benötigten gute Federwege, Stollenreifen und wenig Gewicht. Damit begrenzte sich die Auswahl in Agadir auf exakt einen Anbieter. Der hat vier in Frage kommende Motorräder im Portfolio. Die Fotos auf der Webseite und die Bewertungen sind in Ordnung. Also wird gebucht.

Am Morgen nach unserer Ankunft folgt die Übergabe. Da eines der Dirtbikes kaputt ist, bekomme ich als Ersatz eine Yamaha XT 650 gestellt. Für das, was wir vorhaben, ist sie eigentlich viel zu schwer.

Irgendwann einmal müssen die beiden Maschinen so ausgesehen haben, wie auf den Fotos im Internet. Aber das ist lange her. Die Reifen von damals scheinen noch immer auf den Felgen zu sitzen. Wo früher mal Stolle war, findet sich heute blanker Slik. Aber alles kein Grund, sich die Laune verderben zu lassen. Ist hier halt so. Zudem gibt es sowieso keine Alternative. Also erst einmal im Umland warmfahren, um ein Gefühl für die zerzausten Krachmacher zu entwickeln.

Dann geht es ab in den Süden des Landes. Ein angenehmer Vorteil der Mietmotorräder ist, dass wir quasi wie Einheimische unterwegs sind. Wir fallen wenig auf und die beiden Maschinen ziehen keine Blicke auf sich, solange wir nahe der Städte unterwegs sind. Das ändert sich, je weiter wir in die Randzonen des Landes Richtung Süden vordringen. Dann, endlich, Sand.

Gehen Sie nicht über Los

Bis zu diesem Zeitpunkt kannte ich nur Schotter, Nordseeinselstrandsand in moderaten Mengen und europäischen Matsch. Dieser Sand hier ist neu. Noch mal schnell Ratschläge zumindest aus dem Internet abzugreifen, ist mangels Empfang hoffnungslos.

Und damit folgt ein schweißtreibender, langatmiger Lernprozess. Es kommt, wie es kommen muss. Die Maschine gräbt sich alle paar Meter bis zur Nabe ein.

Also runter vom Sattel und buddeln, zerren, ziehen, drücken. Von der triumphalen Befreiung geht es gleich wieder weiter in die nächste Sandfalle. Eine Ausfahrt über Moorwiesen sähe kaum anders aus. Irgendwann ist es so frustrierend wie Monopoly. „Gehen Sie nicht über Los.“

Besser eine Pause einlegen. Bevor wir an Konditionsschwäche und Dehydrierung sterben werden. Zeit für Besinnung und Strategiewechsel.

Wie funktioniert Sand?

Sand hat faszinierende Eigenschaften. Aufgrund der Struktur verhält er sich nicht immer wie ein festes Element, sondern wie eine Flüssigkeit. Erinnerungen an den längst vergessenen Physikunterricht werden wieder lebendig.

Bei hoher Geschwindigkeit wird Wasser „hart wie Beton“. Je schneller das Objekt, desto härter der Aufprall, da die Wassermoleküle nicht schnell genug ausweichen können. So ähnlich ist es auch mit Sand. Die einzelnen Körnchen brauchen eben auch eine gewisse Zeit. Und genau diese Zeit darf man ihnen nicht geben. Damit ist Geschwindigkeit Bedingung und Schlüssel.

Nachdem wir das endlich kapiert haben, ist auch wieder Spaß im Spiel. Wir werden zu Entdeckern im Sandglas. Sind Columbus, Magellan, sind Armstrong. Wir werden zu Pionieren des scheinbar Unbetretenen.

Wer das Bedürfnis kennt, als erster eine Fußspur in eine weite Schneelandschaft zu stapfen, weiß, welches Gefühl ich zu beschreiben versuche. Es ist grandios! Muss man mal gemacht haben.

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