An der Ampel zu stehen und gleich von einer ganzen Familie angelächelt zu werden, passiert mir sonst nicht.
Auf der Bullet schon. Sie löst unterschiedliche Reaktionen aus. Häufig ist es Freundlichkeit. Auch bei Menschen, die selbst nicht Motorrad fahren.
Das andere Ende der Skala wird ausschließlich von, wenigen wohlgemerkt, Motorradfahrern bedient. Da knistert durchaus auch mal Geringschätzung, zumindest aber Skepsis entgegen. Es ist ein Motorrad, das polarisiert. Fährt ja deshalb auch nicht jeder.
Bei der F800GS sieht es anders aus. Unter Motorradfahrern wird sie gar nicht erst wahrgenommen. Es ist eben eine Maschine unter vielen.
Selektive Sympathien
Bezeichnend finde ich die Reaktionen von Kindern. Steige ich irgendwo an einem Parkplatz auf die GS, gab es schon das ein oder andere Mal kleine Stöpsel, die die Augen sehr weit aufreißen und sich die Ohren prophylaktisch zuhalten.
Die BMW ist leise und deshalb beruhigt sich das kleine Volk schnell wieder. Aber spontane Sympathien löst sie nicht aus. Aus der Stehhöhe eines Kleinkinds muss sie wohl bedrohlich wirken. Hohe Bauweise und eckige Formsprache erfreuen offenbar kein Kinderherz.
Bis auf den kleinen Racker, der uns mal auf einem Campingplatz im Norden mit seiner Motorradbegeisterung stündlich auf die Pelle rückte und kaum noch vom Sitz herunterzuziehen war.
Er konnte noch nicht richtig sprechen, aber das Wort Motorrad beherrschte er. Das klang dann ein wenig wie der Kampfschrei eines schottischen Clanmitglieds auf dem Kriegspfad. Hatte man ihn auf den Sattel gesetzt, saß er da wie festgeklettet und drehte am Gasgriff wie die leibhaftige Reinkarnation Evel Knievels. Selbst bei laufendem Motor. Ausnahmen bestätigen eben die Regel.
Design für die Zukunft
Anders, wirklich ganz anders als auf die GS reagieren Kinder auf die Bullet. Es wird mit dem Finger gezeigt, Eltern zum Motorrad gezerrt, es wird aus Autofenstern gewinkt und manchmal sogar gejubelt. Ich habe keine Ahnung, weshalb.
Vielleicht sind es die runden Linien und das freundlich wirkende Konterfei. Vielleicht auch die verspielten Elemente der Lackierung und die blinkenden Chromteile. Eventuell auch einfach, weil die Bullet der archetypischen Vorstellung von einem Motorrad entspricht.
Wenn die Ähnlichkeit zum eigenen Tretroller oder Kinderfahrrad erst einmal hergestellt ist, dann, logische Folge, will man das glitzernde Ding natürlich auch mal selbst ausprobieren. Wir kennen das alle.
Die niedrige Bauart mag auch eine Rolle spielen. Theoretisch könnte sich ein Sechsjähriger auf den Sattel hieven. Jedenfalls ist sie in der Lage, Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
Also liebe Motorraddesigner. Wenn Ihr Euren Berufsstand erhalten wollt, solltet Ihr wenigstens ab und zu freundlich ausschauende Motorräder entwickeln. Denn dann finden sich auch in der nächsten Generation begeisterte Käufer Eurer Werke.
Lieber Gipsy Chimp, da kann ich eine Beobachtung in die entgegengesetzte Richtung beisteuern: Als ich zu Beginn meiner Bikerkarriere (weil noch keinen Mot-führerschein) mit meinem Trike, einem BikeConversion mit integrierter Suzuki Intruder in permutweiß, unterwegs war, waren es überwiegend sehr alte Damen (so ab 80), die die Maschine begeistert bewunderten. Diese Damen waren in frührerer Zeit (nach dem Krieg) selber auf Zweirädern unterwegs gewesen und hätten sich später vielleicht auf ein Dreirad gesetzt.
Bei den gestandenen Bikern wurde ich jedoch nur mitleidig belächelt oder überhaupt nicht wahrgenommen.
Ich fühlte mich jedoch sauwohl und habe das Gefährt geliebt!
So ein Dreirad ist für Motorradfahrer erst einmal gewöhnungsbedürftig. Ging mir auch so, als ich von deinem Trike gelesen habe. 🙂
ging mir genau so mit der pre-unit. oft wurde ich gefragt: „ist die alt?“ oder ein seitenfenster schnurrte runter und der fahrer sagte: „schönes motorrad!“ und brauste davon. beim rauskommen aus dem supermarkt schleicht ein älterer typ um die kiste rum und guckt erst hoch, als ich aufsteigen will: „die sieht ja toll aus. was ist das?“ unsere nachbarin sieht die bullet und outet sich überraschend als fahrerin einer bandit. „die ist aber schön. und klingt auch gut.“ sogar ein gaaaanz alter kumpel, kunstlehrer, schon immer hedonist und inzwischen bestens versorgter luxusrentner, steigt auf seinen futuristischen chopper und knurrt: „doch, irgendwie macht dat ding was her.“ und ein ganz junger kollege – fahrer eines enfield café racers – meinte mal: „Nö, nicht so viel dran machen. du hast doch so ’ne schöne patina.“
Ich hatte als Kind ein Bilderbuch mit Zeichnungen aus den 1920er Jahren. Häuser Autos, Motorräder, Flugzeuge und Traktoren empfand als schön. Vielleicht weil es eine idealisierte und heile Welt war, die mir da präsentiert wurde. Die Häuser und Fahrzeuge meiner Gegenwart empfand ich hingegen als hässlich. Sie waren ja auch Teil einer Welt, die alles andere als heil und ideal war. Die Royal Enfield hätte ich damals auch als schön empfunden, denn so ähnlich sahen die Motorräder in diesem Bilderbuch aus.
Ich glaube auch, dass in dem archetypischen Aussehen und dem freundlich, verspielten Design die Faszination liegt.
Lieber Gypsy. Ich sag es ja. Du machst auf deinem Fetisch mit dem Halbschalhelm und deinem Blog eine ziemlich gute Figur. In diesem Kontext musst du unbedingt den Kommentar von Kerstin lesen.
https://derhalbhartemann.com/2020/03/19/fruehlingserwachen/
Das schmeichelt mir. Aber auch hier zeigt sich mal wieder die ästhetische Wirkkraft einer Bullet. Auf der macht jeder eine gute Figur. 🙂