Mein Motorrad – Liebe zum Jetzt

Wäre ich Sänger, würde ich mein Motorrad besingen. Bin ich aber nicht. Also schreibe ich. Eine Liebeserklärung an die BMW F800 GS.

Graues Mäuschen

Mein Motorrad ist nicht schön. Im Gegenteil. Elegante Schwünge in der Form oder gar Chrom gibt es nicht. Das meiste erscheint funktional durchdacht und so ist auch der Auftritt. Auf dem Laufsteg würde es keinen Wettbewerb gewinnen.

Mit visueller Bombastik ist ebenfalls nicht zu punkten. Dafür wirkt es zu schlank, fast schon mager. Die Technik ist solide und verlässlich. Etwas Herausragendes, Einzigartiges ist eigentlich nicht zu nennen. Mit den Leistungsparametern wäre beim Supertrumpf nicht zu beeindrucken.

Ausgenommen die Sitzhöhe. Da ist ein wenig Kletterei angesagt. Krach macht es sowieso nicht. Es brummt, brabbelt, grummelt so vor sich hin. Im Pulk ist es schon nicht mehr zu hören. Eigentlich also ein graues Mäuschen. Understatement aus deutschem Haus.

Understatement

Da es in der Praxis eine hervorragende Figur macht. Die Qualitäten ergeben sich aus der Gesamtabstimmung. Auf der Kurvenhatz bleibt man nicht zurück. Durchs Gelände pflügt es für eine Großenduro so leichtfüßig wie ein Mountainbike, hinsichtlich der Zuladungskapazitäten hat es die Eigenschaften eines Lastesels und wer unbedingt will, kann den Autobahntransfer auch mit 200 Sachen absolvieren. Über Unebenheiten, Schlaglöcher oder verlorene Gegenstände bügelt man hinweg. Der Motor läuft. Ohne Zicken. Ohne Einschränkung.

Das ist alles ganz hervorragend, aber eigentlich auch im Rahmen dessen, was bei dem Preis erwartet werden darf: ein gutes Motorrad. Emotion liegt aber jenseits von Sachlichkeit. Und Sachlichkeit allein macht keine gute Partnerschaft.

Wie Es zu einer Sie wurde

Der Punkt, an dem mein Motorrad zur Gefährtin wurde, liegt jenseits von technischen Datenblättern. Das Motorrad, das heute in meiner Garage steht und das Motorrad, das ich vom Händler mitgebracht habe, ist nur scheinbar dasselbe. Eigentlich trennen die beiden Welten.

Damals war es noch ein Motorrad neben vielen anderen. Eher spröde die ersten Fahrten, das sich Herantasten an die Eigenschaften, die besonderen Merkmale, Fähigkeiten und auch Macken.

Dann endlich diese Symbiose von Mensch und Maschine, die beim Motorradfahren so einzigartig ist. Irgendwo und irgendwann ist „es“ dann zu einer „sie“ geworden. Zeit und Erlebnisse definieren den Charakter.

Die Narbe links erinnert an die erste ernstzunehmende Begegnung mit schwierigem Gelände. Die kleine Beule hinten an die Vater-Sohn Kollision in Osteuropa. Der Kratzer an der Felge an die alpinen Schotterpisten der italienisch-französischen Grenze, die Spuren auf der Gepäckbrücke von Zeltstangen für Übernachtungen in Skandinavien. Der abgeschliffene Lack in Stiefelhöhe von langen Touren.

Nostalgie ist etwas für Postkarten

Das ist keine Nostalgie. Nostalgie ist etwas für Postkarten, schlechte Museen und ewig Gestrige. Denn es gibt nichts Präsenteres, nichts Gegenwärtigeres als ein Motorrad. Egal aus welchem Baujahr. Immer habe ich den Eindruck, dass sie zum Sprung bereit ist. Eine Aufforderung zum Aufbruch.

Wenn ein Motorrad sprechen könnte, dann wäre sein erstes, vielleicht einziges Wort: „los!“

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6 Comments

  1. Tja, leider wollte mich die 800er GS nicht oder besser gesagt:
    Die Sturkopp-Macher des Moppeds sind scheinbar schwer dagegen, dass auch der ein oder andere Haxen-Zwerg Spaß mit ihr haben möchte. Ergo gaben sie sich offenbar die größte Mühe, dass sie sich von jenen welchen auch mit viel gutem Willen nicht ohne mitgeschlörtem Fußbänkchen oder Akrobatik-Erfahrung fahren lässt. *seufz*

    Chance verpasst, denn JETZT möchte ich sie auch nicht mehr… *GRRR*

    Freue mich aber sehr für Dich, dass Du sooo glücklich mit der Dame bist! 😉

    LG
    Susy

  2. „Denn es gibt nichts Präsenteres, nichts Gegenwärtigeres als ein Motorrad.“

    Dem ist nichts mehr hinzuzugügen! Das Zweifeln, Überlegen und Abwägen habe ich immer nur vor einem Wechsel meines motorisierten Untersatzes im Showroom des Händlers. Unterwegs ist es mir (beinahe) egal, auf was für einem Motorrad ich sitze. Mein Unterbewußtsein passt bei der Auswahl schon ziemlich verlässlich auf und schiebt mich vor die richtige Maschine. Zuletzt schob es mich vor Heavy Metal aus Hinckley. Und was soll ich sagen? Es konnte unter allen Bikes auf dieser Welt nur dieses für mich werden.

    Ride To Add Life To Your Days!

    1. Ein weiser Blogger sagte kürzlich mal: ein Blog ist nur so gut wie seine Kommentare. Da freut es mich doch sehr, auch Dich als Leser mit dabei zu wissen!
      Harley bin ich noch nie gefahren, würde aber gern mal. Meine Begeisterungsfähigkeit kennt da keine Markengrenzen, wohl aber meine Finanzen. Leider.

      Immer oben bleiben und auf bald mal hier oder, wer weiß, auf der Straße!

  3. Danke Dir!

    Ja, die Sache mit der Bezahlung des neuen Untersatzes ist tatsächlich immer wieder eine schmerzliche Angelegenheit. Insbesondere, wenn der Verkäufer bei der Übergabe leidvoll klagt, die Maschine viel zu günstig verkauft zu haben, um danach in seinen neuen Q7 zu steigen.

    Ach ja, nicht HD – die Rohware für meinen Feuerstuhl stammt aus den Hochöfen von British Steel.

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