Albanien

Ob uns das Land gefällt, werden wir von den Einheimischen immer wieder gefragt. Liebe Leute, ja! Denn Albanien bietet allerfeinste Motorradabenteuer.

[Bild: Albanien | motorradblog.de]

Es ist 5:30 Uhr und ich bin hellwach. Das Hotelbett ist extrem komfortabel, aber dennoch vermisse ich unser Zelt. In Albanien einen geeigneten Zeltplatz zu finden, hat sich als nicht so einfach erwiesen. Es gibt einfach nicht so viele. Drei probieren wir aus.

Der eine bietet den zweifelhaften Charme einer Infrastruktur, die vor sehr, sehr langer Zeit mal wunderbar funktioniert haben wird. Jetzt mag ich nicht mal die blinden Fliesen der Wände in den Sanitäranlagen berühren.

Das andere Ende markiert ein unerwarteter Luxusplatz, der vor allem von deutschen Touristen eingenommen wurde. Auf ihm werden, wie so häufig, Gäste mit Zelt eher als Randerscheinung, denn als ernstzunehmende Kunden eingeordnet.

Deshalb ziehen wir die für uns kostengünstigen Pensionen und Hotels vor. So wie dieses, das erste Haus am Platz. Für albanische Verhältnisse sind wohl 5 Sterne angebracht. Uns war nur die bewachte Tiefgarage wichtig, aber der unverhoffte Luxus für 40,- Euro ist willkommen.

Fremde Vertrautheit

Die Morgendämmerung kündigt sich an, ein Muezzin ruft das Morgengebet aus. Zeit, sich ins Getümmel der Stadt zu werfen. Deren Treiben erinnert mich mehr an Kairo oder das chinesische Kunming, als an eine Stadt in Europa.

Es ist August und überall finden Hochzeiten statt. Menschen in Trachten, stark geschminkte Frauen in prächtigen Kleidern und Männer in eng geschnittenen Anzügen in großen Limousinen. Alles wirkt fremd. Alles wirkt vertraut.

Wenn man wollte, könnte man unsere bisherige Reise als Annäherung an das Fremde und uns Neue in Europa bezeichnen. In homöopathischen Dosen. Die Übergänge sind fließend, die Grenzen zum für uns Anderen nur unscharf und kaum auszumachen. Ganz nebenbei haben wir Gelegenheit, unsere Stereotypen zu Albanien zu korrigieren. Es sind einige.

Albanien ist jedenfalls wunderschön. Wäre da nicht der Müll. Am Straßenrand sind immer wieder Berge und Haufen zu sehen. Das gilt auch für Nordmazedonien, aber für Albanien ist es eine wichtige Einkunftsquelle des von der langen Isolation und des wirtschaftlichen Transformationsprozesses nach wie vor gebeutelten Landes.

Mülltonne Europas“ las ich mal. Der wird dann hier in die Landschaft gekippt. Schnelles Geld. Wer übrigens seinen alten Diesel deutscher Marke wiederhaben möchte, hat gute Chancen, ihn in Albanien zu finden.

Hier könnten Fantasy-Filme gedreht werden

Das Hauptthema, wenn wir mit Einheimischen sprechen, lautet Arbeitslosigkeit. Auch das eine Gemeinsamkeit zu Nordmazedonien. Viele sprechen Deutsch, gelernt während zwei, drei Monaten Arbeitsaufenthalt in Deutschland. Das zweite Thema, nein, vielmehr Frage ist, ob uns Albanien gefällt. Das hat seinen Grund, denn die Politik setzt auf Tourismus. Das könnte klappen, schließlich hat man beeindruckende Landschaften zu bieten. Und wunderbare Motorradstrecken.

Um nur ein Beispiel zu nennen: eines unserer Ziele lautet Bajram Curri. Eine kleine Stadt im Nordosten, sprichwörtlich eingeschlossen von beeindruckenden Bergen. Dorthin führt nur eine einzige Straße, die vor gar nicht langer Zeit gebaut wurde. Sie ist eher Single Track als Zufahrt, der sich eine kleine Ewigkeit durch das verlassen wirkende Gelände windet. Bis sich schließlich vor uns ein riesiges Tal öffnet, an dessen Ende im Norden eine Bergformation den Himmel verdunkelt.

Allein für dieses umwerfende Panorama lohnt sich die Anfahrt. Hier hätte man sämtliche Folgen von Herr der Ringe drehen können. Passenderweise heißt ein wesentlicher Teil Verfluchtes Gebirge.

Überfüllte Fähren, Marihuana und Schlaglochpistenspaß

Wir mögen es nicht, dieselbe Strecke zurückzufahren. Deshalb nehmen wir die andere, die ältere Variante. Auf einem fjordähnlichen Zufluss schippern wir mit einer Fähre aus dem verwunschenen Gebiet ab.

Mindestens einen Tag zuvor ein Ticket online zu buchen, ist übrigens selbst für Motorradfahrer sinnvoll. Denn der Andrang ist groß, die Fähren sind klein. Die fünfstündige Fahrt auf dem vollkommen überfüllten Schiff ist ein kleines Abenteuer für sich. Ab und zu sind abgeschiedene und nur durch Pfade erreichbare Höfe in den Berghängen zu sehen.

Was uns auch hier die ganze Zeit begleitet, ist der schwere Geruch von Marihuana-Pflanzen. Eine weitere Einkommensquelle Albaniens. Es ist keineswegs legal und deshalb sind die Felder gut versteckt. Aber der Geruch ist unverkennbar. Die Polizei akzeptiert offensichtlich den Status Quo.

Wir verlassen die Fähre und haben die nächsten Kilometer mächtig Spaß. Die Straße ist ein anspruchsvoller, unverhofft wechselnder Mix aus ehemaligen Teerflächen, überdimensional großen Schlaglöchern, Schotterautobahn und Geländepiste, die sich als Höhenweg durch die Berge windet.

Albanien ist dann doch nicht für jedes Motorrad geeignet. Schnell lassen wir die vielen Blechkisten hinter uns. Um dann ein wenig wehmütig festzustellen, dass wir nicht mehr allzu weit von unserem nächsten Ziel entfernt sind. Montenegro.

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