Kann ein Motorrad ein Auto ersetzen? Ja, offenbar kann es das. Wenn man ein dickes Winterfell hat. Hier schreibt Freund Bryno über seine Erfahrungen.
Der V8-Bolide rollt vom Hof. Verkauft. Ein herrlich unkorrekter SUV. Aber geil. Nach gründlichem Abwägen haben meine Partnerin und ich beschlossen, ein autofreies Leben zu führen. Das war im Juni 2017. Vom Motorrad war da noch keine Rede, vielmehr vom Umstieg aufs Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel.
Wahrlich eine Herausforderung bei einer Patchworkfamily mit zwei 40 km voneinander entfernten Wohnsitzen, drei pubertierenden Kindern und einem großen Hund. Aber tatsächlich, es geht
Geschenke und Geschichten
Dem erheblich größeren Organisationsaufwand im Alltag ohne Auto stand eine entschleunigte und bewusstere Lebensweise gegenüber. Das allein war schon ein Geschenk. Zugegeben, wenn’s gar nicht mehr ging, musste Omas Auto oder ein Mietwagen her. Das war jedoch immer die Ausnahme. Bis zum Spätsommer 2017.
Da schwärmte ich von Geschichten ums Motorradfahren aus meiner frühen aktiven Zeit. Die Reaktion meiner Partnerin war verblüffend. „Wow!“
Mit blitzenden Augen erzählte sie von Ihrem dicken Einser Führerschein, der nie genutzt wurde. Wie bitte? Mopedlappen und nie gefahren?
Vier Wochen später stand Ihr Wunschmotorrad vor der Tür. Eine 535er Virago mit anständigen 44 PS als Anfängermotorrad. Natürlich habe ich mir auch selbst dann das lang verdrängte Ansinnen auf einen Wiedereinstieg erfüllt und eine XJR vor die Tür gestellt.
Warmduscher?
Die Einkaufstüten an den Fahrradlenkerenden wichen smarten Satteltaschen an den Bikes plus Tankrucksack. Wir nahmen jedwede Gelegenheit wahr, Motorrad zu fahren, eben auch die lästigen Einkaufstouren zum Supermarkt.
Und so halten wir es bis heute. Fahren, so oft es geht. Der oben erwähnte Orgaaufwand ist derselbe – wir hatten ja genug trainiert. Nie ohne Sicherheitskleidung. Das An- und Ausgeplünne gehört eben dazu.
Das Motorradfahren ist somit quasi in den Alltag integriert. Mehr Zeit einplanen, Wetter berücksichtigen, vorausschauend und defensiv fahren, das Kopfschütteln von motorradlosen Kollegen aushalten. Das gehört auch dazu.
So sind wir jeweils auf stolze 12.000 Motorradkilometer in einem Jahr gekommen, wovon das Meiste im Alltag abgespult wurde. Bei Temperaturen unter fünf Grad Plus fahren wir nicht mehr und die Mopeds stehen in der Garage. Zum Winter haben wir uns nun doch wieder ein kleines Auto gekauft, da sind wir älter und bequem geworden. Wir wissen diesen neuen Luxus sehr zu schätzen und gehen bewusst damit um. Genutzt wird die Blechkiste tatsächlich nur, wenn es nicht anders geht. Das wird auch so bleiben
Und: Summer soon come!