Derzeit sind ca. 126 Streckenabschnitte in Deutschland für Motorräder gesperrt.* Eine Begründung steht dabei neben Unfällen im Vordergrund: Lärmbelästigung.
Dürfen die das? Ja. Sie dürfen. Als Grundlage dient § 45 Absatz 1 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Dort heißt es:
„Die Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Das gleiche Recht haben sie […] 3. zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen. […]“**
Ist das immer plausibel? Nein! Dazu aber weiter unten mehr.
Was wir tun können
Am besten erstmal an die eigene Nase fassen. Wer ohne Dezibelfresser unterwegs ist, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Mitwelt irgendwann entnervt auf die Barrikaden geht.
So gern ich eigentlich dran glauben würde – Motorradfahren allein macht aus einem Armleuchter nun mal keinen verträglichen Zeitgenossen. Kant will auch nicht jeder lesen. Und so gehören Krachtüten eben auch zum Klangbild der beliebten Motorradstrecken.
Unter Hongkonger Geschäftsleuten gab es mal eine wenig schmeichelhafte Metapher, mit der westliche Geschäftsleute beschrieben wurden. Westler, so wurde mit maliziösem Lächeln gesagt, kämen kreischend wie Möwen angeflattert, ließen überall ihren Dreck fallen, um sich dann wieder vom Acker zu machen. Das passt auch hier. Dazu mir fällt eine Episode ein, die ich auf einer kleinen Alpenstraße erlebt habe.
Die Motorradhasser von morgen
Wir machten einen Fotostopp direkt vor einem kleinen Haus am Berghang, dessen Innenhof nicht mehr als 15 Quadratmeter gehabt haben wird. Davor die Straße und ansonsten ein grandioses Panorama. Bergidylle.
Wäre da nicht die Gruppe Kurvenjäger ohne Dezibelfresser gewesen, die genau hier, vielleicht auch, da wir am Straßenrand standen, es nochmal so richtig krachen lassen mussten. Dass sich die drei Kinder verschreckt die Ohren zuhielten, haben die Fahrer nicht mitbekommen. Später sind sie uns an einer Haltebucht wiederbegegnet, wo sie sich gegenseitig die Schultern klopften.
Ein Tunnelblick auf der Rennpiste ist Teil der Sache. Im öffentlichen Raum ist er inakzeptabel. Sollten sich die Kinder später also vehement für eine Streckensperrung einsetzen, fände ich das keineswegs überraschend
Schluss mit dem Applaus
Da hilft eigentlich nur eins. Behutsames oder auch weniger behutsames Einwirken in der Motorradgemeinschaft selbst. Denn ich sehe es nicht ein, mir von ein paar wenigen Dezibelegomanen die Suppe versalzen zu lassen, indem sie Untersuchungsausschüssen und einseitig berichtenden Medien die Argumente liefern.
Also Leute! Schluss mit Applaus und Bewunderung für alles, was klingt wie ein Dragster, aber letztlich nur Motorrad ist.
Inakzeptable Rechtspraxis
Wichtig ist aber auch die Feststellung, dass die gängige Argumentationslinie bei Streckensperrungen nicht ganz koscher ist. Nämlich die unzulässige Pauschalisierung, mit der wir es hier zu tun haben. Die Sperrungen beziehen sich ja auf uns alle. Das kann nicht sein.
Die Begründung lautet in der Regel Lärmbelästigung. Wie lässt sich aber allen Ernstes eine Streckensperrung für sämtliche Motorräder durchfechten?! Akzeptabel wäre eine Sperrung für alles und jeden, das bzw. der nachweislich zu laut ist. Aber einerseits alle Motorradfahrer unter Generalverdacht und andererseits ausschließlich Motorräder in Generalhaft zu nehmen, entspricht keineswegs guter Rechtspraxis.
Das ist ungefähr so, als würde man sämtlichen Schülern eines Jahrgangs den Abschluss verwehren, da zwei von ihnen bei der Matheprüfung geschummelt haben.
*mintelonline.de hat sich die Mühe gemacht und eine Karte erstellt. Stand vom 26.9.18 [aufg. am 17.01.2019].
**Siehe StVO [aufg. am 17.01.2019].
Hallo Gypsy,
sehr gut beschrieben.
Das ist für mich ein Grund, mich von größeren Gruppen gern zu halten.
Als Alleinfahrerin suche ich mir deswegen lieber eine Parkmöglichkeit ein wenig abseits. Wie es aussieht, wird das anscheinend als Arroganz meinerseits ausgelegt. Außerdem fahre ich ne BMW, „die kann ja nur arrogant sein“.
Ich ärgere mich sehr über die Pauschalisierung. Wegen einiger, echt lauter Autos, die auch gern über die Pässe fahren, wird ja auch kein Fahrverbot für alle Autos ausgesprochen. 😡
Dabei wäre die übergreifende Dezibelmessung technisch möglich. Wer weiß, eventuell sind Autofahrer mit Verbrennungsmotor an der Reihe, sobald E-Antriebe durchgesetzt wurden.