Motorradtreffs – alles Theater

Wer Einblicke in die Motorradwelt erhalten will, der besuche Motorradtreffs. Allein auf einer Tour quer durch Deutschland sind wir mal mehr als 15 angefahren. Eines haben sie alle gemeinsam.

[Bild: Treffs | motorradblog.de]

Wer solch eine Tour nachfahren möchte, dem sei zuvor unbedingt das Buch „Wir alle spielen Theater“ von Erving Goffman empfohlen.* Denn folgt man Goffmans Gedankengang, dann verschiebt sich etwas im eigenen Blick auf die Welt. Das menschliche Miteinander wird mit etwas mehr Abstand betrachtet.

Der Titel ist Programm und erklärt den Ansatz. Wir alle spielen laut Goffman nicht mehr als Rollen auf der Bühne des Alltags nach mehr oder weniger gut eingespielten Programmen. Je vertrauter uns die Schauplätze sind, desto klarer sind die Rollenverteilungen und die Erwartungen an die Dramaturgie.

Bühne und Zuschauerrang

Und bestes Beispiel sind eben Motorradtreffs. Viele haben ihre ganz eigene Geschichte, die es eigentlich aufzuschreiben lohnte. Als Bühne dienen Parkplatz und Straße, idealerweise Kurve, die direkt vor einem Café oder einem Imbiss liegen kann. Der Name „Applauskurve“ kommt ja nicht von ungefähr.

Stühle und Tische oder andere Sitzgelegenheiten bilden die Publikumsränge. Hier wechseln die Beteiligten ihren Status und werden vom Schauspieler zum Zuschauer und umgekehrt. Das ist für alle Beteiligten zuweilen sehr unterhaltsam. Man ist unter sich und kennt den Ablauf.

In Szene

Da wird die Maschine angelassen und in kurzer Folge mehrmals am Gasgriff gedreht. Als müsste ein kalter Dieseltraktor aus den 1950er Jahren aufgeweckt werden. Es wird schnittiger, zügiger angefahren als sonst. Die Kurve, wenn es sie gibt, mit mehr Schräglage genommen und manchmal sieht man auch einen Wheelie, seltener Stoppies, noch seltener Donuts.

Wer das nicht kann, steigt vielleicht betont lässig ab und auf. Oder distanziert sich auch betont vom Geschehen (was auf einer Bühne bekanntlich unmöglich ist).

Nicht jeder hat Freude an dieser Form der (Selbst-) Inszenierung, aber das Drehbuch steht. Aus der Rollenverteilung, davon bin ich jedenfalls mittlerweile überzeugt, kommen wir nicht so ohne weiteres heraus.

*Erving Goffman (2003): Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. Original: Erving Goffman (1956): The Presentation of Self in Everyday Life.

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7 Comments

  1. Hegaublick. Ich bin bereits etwa 7 Stunden unterwegs. Nebel, Regen, Sonnenschein, alles war geboten. Ich will nur ein Nachweisfoto machen (Passknacker) und dann zügig weiterfahren in Richtung Heimat, die Sonne im Rücken.

    Ich glaube wie ich nur mäßig elegant mit vollgepacktem, gelbem Rucksack auf den Schultern von der Sitzbank der BMW gerutscht bin, ein Stück PVC mit vier Magneten an den Tank gedengelt habe um davon dann ein Foto zu machen hat viele begeistert. Viele Blicke waren mir jedenfalls sicher wie ich durch das heruntergelassene, getönte Innenvisier sehen konnte.

    Endlich wurde mal etwas anderes als da ewig gleiche Schauspiel geboten.

    Läuft sowas dann unter man »distanziert sich betont vom Geschehen«? 😉

  2. So schaut’s aus. Die Fahrt zu einem Motorrad-Treff ist selbst bei ärgstem Geheize niemals so wichtig und ernst zu nehmen, wie das Rollen auf die Bühne.

    Beispiel Kathi-Bräu – ein Schaulauf aus dem Wald auf die offene Bühne, mit der unausgesprochenen Anweisung, niemanden zu grüßen, niemanden in die Augen zu schauen, niemanden zu würdigen, der nicht mindestens die teurere Maschine hat 😉

    Auch ganz wichtig: der Ausdruck von überbordender Kompetenz beim Irrlichtern durch die vielen ausgestellten Preziosen. Sehr lustig, immer 😉

  3. Seebruck am Chiemsee, Kupferschmiede:
    Treffpunkt allerlei Eitelkeiten- sei es das Bikinimodel vom Beach gleich gegenüber oder der Radfahrer mit seinem Renner und falsch montierten Stöckelschuhen oder die E-Biker oder die Mopedfahrer, die meistens die größte Gruppe stellen.
    Der Predator mit seiner Hayasuperbusa ist da, auch der mit der Nuda, Supersportler mehr als genug, ein paar Nackte und Caferacer, Scrambler, Tourer, Drei- und Vierräder sind dabei, leidiges Parkplatzproblem- der Typ von gegenüber will auch Mopeds abkassieren.
    Die dicke Berta steht schon wieder um ein Eis an, viele machen Brotzeit, trinken ein, zwei Bierchen und jeder ist cool, begnadet und wichtig.
    Ganz besonders freuen mich immer die Tips von dem mit den angeschliffenen Kniescheiben, erzählen kann er, etwas Dramatik ist immer dabei. Manchmal sieht man wo die Schleifscheibe die Kniescheibe bogenförmig überhitzt hat.
    Da kommt doch tatsächlich einer mit einem originalen Kennzeichenhalter auf seiner Z1000, was für ein Exot/Idiot/Würstchen/Anfänger. Wie kann man nur.
    Ich gönn mir höchstens einen kleinen oder großen Braunen und auch nur dann wenn ein paar angenehme Leute da sind, bei dem Wetter fahr ich lieber.
    Ein paar Münchner sind da, auch von Niederbayern kommt man gerne hierher, Oberösterreich und Tirol sind vertreten, schöne Mischung, alles da was ein Geländer irgendwo zwischen 15 und 250PS zur Gummiverteilung bewegt.
    Brauch ich das?
    Nö.
    Muss ich nicht haben.
    Ich hol mir lieber einen Steckerlfisch, drüben in Prien beim Wagenhäuser gibts den besten. Leider nur am Freitag.
    Wir Mopedfahrer habens schon schwer. Manchmal.
    Ist nicht so meins,

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