Flow

Es gibt zwei Dinge, die auf meiner Liste der potenziellen Gefahren beim Motorradfahren ganz oben stehen. Erstens Autofahrer. Zweitens Flow.

Flow ist mittlerweile im allgemeinen Wortschatz angelangt und bezeichnet eigentlich etwas Positives. Ich kenne es vor allem aus dem beruflichen Kontext.

Wie eine gut geölte Maschine

„Im Flow sein“ ist meist so gemeint, dass man über einen längeren Zeitraum hochkonzentriert an etwas arbeitet. Bei Teamarbeit wird es häufig als das zu erreichende Non-Plus-Ultra dargestellt.

Alle sind aufeinander abgestimmt, es wird keine Zeit mehr für langatmige Koordination benötigt, Arbeitspakete werden beinahe übergangslos weitergegeben. Man funktioniert wie eine gut geölte Maschine.

Flow beinhaltet aber auch einen anderen Aspekt. Das Konzept stammt von dem US-amerikanischen Psychologen Csikszentmihalyi. (Ich habe nur eine vage Vorstellung davon, wie man seinen Namen korrekt ausspricht.)

Er beschäftigt sich auch mit dem Risikoverhalten von Menschen und beschreibt dabei ein Phänomen, das nicht nur Motorradfahrern gut bekannt sein dürfte.

Es kann beispielsweise so aussehen: Man ist schon länger auf einer grandiosen Strecke mit gutem Tempo unterwegs. Die Umgebung gleitet vorbei, Schalten, Schräglage, Bremse, beschleunigen, ausweichen – alles funktioniert wie von selbst und geradezu perfekt, sehr geschmeidig und sehr leicht.

Die Kurvenwinkel werden geradezu vorausgeahnt. Mit der Maschine verwachsen gleitet, fließt, fliegt man dahin. Man fährt nicht nur einfach Motorrad. Man ist das Motorrad. Das Motorrad ist die Strecke. Die Strecke ist die Welt.

Im Rausch

Flow ist ein tranceartiger Rauschzustand. Die Gefahr liegt nicht im Flow selbst, sondern dass man nicht genug davon bekommen kann. Ich kenne so einige, die nach einer Fahrt von mehreren hundert Kilometern mit rotgeäderten Augen, ungesunder Gesichtsfarbe und weichen Knien mit dem Satz aus- oder abgestiegen sind: „Ich hätte noch ewig so weiterfahren können!“

Das wirkt dann so glaubhaft wie die Versicherung eines Heroinabhängigen, es ginge ihm ganz formidabel. Da hilft nur die Binsenweisheit: Aufhören, wenn es am Schönsten ist.

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6 Comments

  1. Da ist was dran, das mit dem Flow.
    Mein Flow wird jedoch regelmäßig und jäh vom unverdrängbarem Drang zum Bieseln unterbrochen.
    Ooooder….von meinem „Real-Life-Follower“, meinem im Auto mir nachfahrenden Angetrautem, der plötzlich versucht, mich zu überholen, weil er Hunger hat.
    Hunger und Durst sind im Flow ebenso vergessen, was ja auch nicht ungefährlich ist

  2. der beschriebene flow bleibt auf einer rechts geschalteten pre unit enfield eher eine art edging. zwischen lust und schmerz, zwischen konzentrierter arbeit und deutlich angerauhtem vergnügen. alle sinne sind hellwach. die komplexe synphonie der beweglichen teile, federn, zahnräder, der strömenden flüssigkeiten und heißen gase, das abrollen des gummis auf den verschiedenen untergründen, der laute luftzug unterm helm. die ganz unterschiedlich temperierte luft und ihre gerüche… die immer für überraschungen guten ränder der wahrnehmung in den augenwinkeln… aber vielleicht ist er das ja.

  3. Für mich ist ein Flow ist kein Rausch. Weil das, wie du am Anfang schreibst, „hochkonzentriert“ nicht zu einem Rausch passt. Gerade die Konzentration auf eben nur das Fahren (und die Wahrnehmung der direkten äußeren Einflüsse darauf) ist essenziell und überlebenswichtig für das Motorradfahren. Wenn eben nichts anderes die Sinne vernebelt.

    1. Ja, stimmt. Es geht um den Übergang vom konzentrierten Start in den Flow. Im Flow hast Du den Eindruck, hochkonzentriert zu sein, obwohl es eigentlich ein Rauschzustand ist.

  4. Flow ist, wenn man sein Mittagessen im Zelt essen muss, weil es erstens inzwischen draußen zu dunkel und zweitens die Mücken einen sonst kaputt stechen würden… 😉

    Flow ist, wenn einem beim Absteigen das Motorrad umfällt.

    Flow ist, wenn´s draußen stockdunkel ist und man beim Fahren immer noch die Sonnenbrille auf hat!

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